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Warum zum Teufel Ritalin?

Diagnose ADHS - mein Leben mit und ohne Medikament

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Warum zum Teufel Ritalin?
Stephan Rey
Verlag
Cameo Verlag Bern
ISBN-Nummer
978-3-906-28770-6
Preis
26, 10 €

Warum zum Teufel dieses Buch?
 

„Warum zum Teufel Ritalin? Diagnose ADHS - mein Leben mit und ohne Medikament“ ist ein authentischer und kurzweiliger Erlebnisbericht eines spätdiagnostizierten Fünfzigjährigen, dessen Leben sich mit der Diagnose und vor allem durch die Einnahme von Ritalin dramatisch verbessert hat. Da ich mich selbst bisher um eine Medikation herumgedrückt habe, aber merke, dass ich dieses Thema doch endlich angehen sollte, habe ich dieses Buch förmlich verschlungen.  

Die für mich an der ein oder anderen Stelle etwas eigentümliche (weil schweizerische) Ausdrucksweise hat mich viele Male schmunzeln lassen und mir erstaunlich viel Spaß gemacht. Stephan Reys Sprachstil ist an vielen Stellen wahnsinnig eloquent und beschreibt mit viel Geschick die enorme Getriebenheit und Zerrissenheit, die ihn – bis zur Einnahme von Ritalin – ständig begleiteten.  

Stephan Rey nimmt seine Leser mit in seine bunte Welt, die geprägt ist von quälender Neugier und Aktionsgier, einem unstillbaren Drang die Welt zu bereisen, seiner Liebe zur Musik und extremen Verehrung der Band ABBA sowie der Musikerin Joan Baez, von seinen Problemen in Liebesbeziehungen und schließlich als Familienvater. All dies beschreibt er mit einer gewissen Trockenheit und einer äußerst sympathischen Selbstironie. Vieles von dem, was er beschreibt, kann ich deutlich nachfühlen, und es klingt mir wie eine frohe Botschaft, dass der innere Friede doch noch zu erreichen sein könnte. So schreibt er: „Ich renne dem Leben nicht mehr hinterher, ich stehe mittendrin.“ Wow!

Ich kann mir vorstellen, dass manche Leser – wahrscheinlich vor allem die uninformierten - zunächst ein Problem haben könnten mit der extrem positiven Darstellung des Medikaments Ritalin. Hier ein Textausschnitt, damit Ihr wisst, was ich meine: „Nach all den Jahren, in denen sich meine Hyperaktivität negativ auf meine Lebensqualität ausgewirkt hat, ist mein Leben mit Ritalin heute wie ein Geschenk, das ich etwas verspätet ausgepackt habe.“ Stephan Rey fährt aber fort: „Das klingt jetzt für einige vielleicht so, als hätte ich einen Werbevertrag mit einem bekannten Pharmakonzern. […] Ich beschreibe lediglich die Erlebnisse eines Menschen – meine Erlebnisse – mit ADHS, wie ich mit (aber nicht nur) Ritalin einen Weg gefunden habe, mein Leben so zu leben, wie es für viele von Geburt an natürlich und selbstverständlich ist.“ Und das bringt Rey immer wieder zum Ausdruck: Es sind SEINE Erfahrungen.

Ich finde es fantastisch und sehr mutig, dass hier der Verteufelung eines Medikaments, das für so viele Menschen – Kinder wie Erwachsene – eine absolute Rettung darstellt, etwas entgegengesetzt wird. Solche Beiträge tragen hoffentlich dazu bei, dass die weit verbreiteten Ideen vom „Ruhigstellen“, vom „Gehirndoping“ und von „ADHS als Erfindung der Pharmaindustrie“ irgendwann der Vergangenheit angehören.

Im Wechsel mit der Lebensgeschichte Reys finden sich „fachspezifische Erläuterungen“ der „Ärztin und ADHS-Spezialistin Frau Dr. med. univ. Ilona Maier“. Diese waren zwar für mich persönlich im Großen und Ganzen etwas überflüssig, können aber sicherlich denjenigen, die sich noch nicht großartig mit ADHS auseinandergesetzt haben, dienlich sein und eine medizinische Einordnung der Gedanken, Gefühle und Handlungen des Autors ermöglichen. Ich könnte mir also gut vorstellen, dass dies ein sehr passendes Buch für den Einstieg in das Thema ist und zum Beispiel Angehörigen und Freunden, aber auch den Betroffenen selbst, einen Einblick in die Gefühlsachterbahn eines Menschen mit ADHS bieten kann. In diesen Fällen ist sicherlich auch das ausführliche Interview mit Dr. Maier am Ende des Buches hilfreich. Hier werden kurz und knapp „[w]ichtige Fragen rund um ADHS“ beantwortet.

Mein Fazit: Eine tolle Alternative zu einem Sachbuch über ADHS und eine perfekte Möglichkeit, sich am Beispiel eines Mannes mit ähnlichen Problemen selbst besser kennen und verstehen zu lernen. Für mich sehr hilfreich in meiner Meinungsbildung bezüglich einer medikamentösen Therapie.